Von der Bürgerinitiative „Flugabwehr“ zur Gründung unseres gemeinnützigen Vereins

Um die Jahrtausendwende war es in Deutschland sehr in Mode die bestehende Fluginfrastruktur auszubauen. Landauf landab prognostizierten Planungsbüros eine immense Zunahme des Flugverkehrs und erklärten den zuständigen Politikern, dass ein Investment in den Ausbau der Flugplätze und Flughäfen unumgänglich sei, um in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht abgehängt zu werden. So geschah es auch in Gera und im Mai 2001 beantragte die Flugbetriebsgesellschaft Gera beim Landesverwaltungsamt ein Planfeststellungsverfahren, um die Start- und Landebahn in Leumnitz von 750 auf 1500 m auszubauen. Ferner beantragten sie den Aufbau einer Befeuerungsanlage, die Erlaubnis für Starts und Landungen bis „20 t MTOM“, eine Betriebszeit von 6.00 bis 24.00 (für den „Ambulanzeinsatz“ auch 24h), sowie die Schaffung von Bauflächen für die „Ansiedlung von luftfahrtaffinen Gewerbe.“

Damals begrüßten die allermeisten Bürger und Politiker in Gera dieses Vorhaben und sahen in dem Projekt nur die Vorteile. Das war jedoch nicht bei allen Bürgern so. Diejenigen die nicht im Elstertal wohnten, sondern höhengleich und näher am Flugplatz, hatten schon häufiger mal mit dem Belästigungspotential durch den Flugbetrieb Bekanntschaft gemacht: da wurden Mittagspausen nicht eingehalten, Häuser in niedriger Höhe überflogen und an so manchen Wochenenden störte der stundenlange Fluglärm von Kunstfliegern und dem Doppeldecker (den sie ohne mögliche Schalldämpfer flogen, weil ihnen das zu teuer war) die stille Erholung im Garten. So war es kein Wunder, dass gerade bei den Anliegern des Flugplatzes die Ausbaupläne Misstrauen und Befürchtungen erzeugten. Was wenn, das „luftfahrtaffine Gewerbe“ Speditionsbetriebe wären, die aufgrund der Autobahnanbindung ständig versuchen würden, ihren Betrieb auszuweiten?

So bildete sich rund um die Ausbaupläne eine Vereinigung von Bürgern, die zunächst einmal verstehen wollten, was an künftiger Entwicklung in ihrer Nachbarschaft zu erwarten sei. Wer waren die handelnden Unternehmer, Verwaltungsleute und Fürsprecher des Ausbauprojekts? Wie waren die ganzen technischen Begriffe in den Planfeststellungsunterlagen und rund um den Flugbetrieb zu verstehen? Welche rechtlichen Regelungen galten für den Ausbau und den Betrieb? Wie konnte man sicherstellen, dass die gemeinsamen Anwohnerinteressen bei der Flugplatzerweiterung angemessen berücksichtigt werden?

Bürgerinitiativen bilden sich im Zusammenhang mit als bedrohlich empfunden Projekten oft. Man trifft sich, redet über Belästigungen und Regelverstöße, die man in der Vergangenheit erlebt hat, arbeitet sich gemeinsam in die Thematik ein, spricht mit Politikern und Fachleuten, versucht Leute zu mobilisieren an denen das Thema bislang vorbeiging und signalisiert den Initiatoren und Befürwortern, dass es auch eine starke, engagierte und kritische Fraktion gibt, die man keinesfalls übergehen kann.

Dass aus dieser maßgeblich von unserem überaus engagierten und langjährigen Vorsitzenden Uwe Raubold zusammengeführten Bürgerinitiative, die manche scherzhaft die „Flugabwehr vom Ferberturm“ nannten, 2001 ein ins Vereinsregister eingetragener und gemeinnütziger Verein wurde, lag an den folgenden damaligen Überlegungen und Erkenntnissen:

Zunächst einmal wollten wir gegenüber den Leuten am Flugplatz und in der städtischen Verwaltung unsere Akzeptanz und Bedeutung als Dialogpartner steigern. Ihnen gegenüber sollte deutlich werden, dass sich da nicht nur der x-beliebige Bürger zu Wort meldete, sondern jemand hinter dem dutzende wenn nicht gar Hunderte standen. Mit der Bildung einer Vereinskasse sollten Projekte unterstützt werden, wie die Anmietung von Räumen für Informationsveranstaltungen und die Beauftragung von Fachleuten um verschiedene Fragen abklären zu lassen.

Außerdem wurde uns schnell klar, dass es nicht nur um den Ausbau des Flugplatzes ging, sondern natürlich auch darum, dass jemand dauerhaft auf die Einhaltung der Regelungen beim Flugbetrieb wacht. Dass Mittagspausen nicht eingehalten wurden und man bei Flugveranstaltungen die Interessen der Anwohner kaum berücksichtigte, lag sicher auch daran, dass es keine organisierten und informierten Aufpasser gab.

Aber die wesentlichste Einsicht aus den Zeiten unserer gemeinsamen „Flugabwehr“ war die Erkenntnis, dass man als Bewohner eines Viertels auch noch andere gemeinsame Interessen hat. Wie z.B. an einer guten Infrastruktur, an einer guten Erschließung, an einer attraktiven Umgebung, an der Beseitigung von Gefahrenherden oder von als Belästigung und unschön empfundenen Dingen, wie z.B. wilden Müllkippen im Wald… 


Heute wo das Projekt Flugplatzausbau versandet ist, der Flugbetrieb ein Schatten vergangener Tage ist und mit dem Ortsteilrat Leumnitz, Ostviertel, Südhang ein gewähltes und steuerfinanziertes Organ sich um viele Belange verspricht zu kümmern, die uns bei der Gründung unseres Vereins ein Anliegen waren, stellt sich natürlich die Frage nach der Zukunft unseres Vereins. Nun ich denke als Mitmachorganisation, „Think-Tank“, Quasselbude, Nachbarschaftstreffpunkt und erfahrenem Organisator von vielen Gemeinschaftsprojekten der vergangenen Dekaden, wird es immer einen Grund für das Fortbestehen unseres Vereins geben.

Gründungsmitglied Ralf Nordmeyer
Gera 2025